Eigentlich wollte ich diesen Artikel zeitnah nach dem Scheitern der Ampel-Koalition veröffentlichen. Und eigentlich sollte der Artikel die Verantwortungslosigkeit von CDU/CSU und FDP thematisieren.
Aber dann taten sich nahezu täglich neue FDP-Abgründe auf, die mich fassungslos, ja sogar sprachlos zurückließen.
Die FDP hat seit Monaten das Ende der Koalition geplant und vorangetrieben. Dass dabei wichtige Projekte für Deutschland verzögert werden oder gar nicht mehr umgesetzt werden, nahm die FDP unter der Führung von Christian Lindner billigend in Kauf. Die Partei, die nach der Bundestagswahl 2021 von allen Regierungsparteien die wenigsten Stimmen erhalten hatte, nahm ganz Deutschland in Geiselhaft um ihre Positionen durchzudrücken. Kompromissbereitschaft? Nicht vorhanden. Entweder pure FDP oder Koalitionsende. Aber natürlich wollte die FDP nicht als die Partei dastehen, die die Koalition beendete.
Das wahre Gesicht von Lindners FDP
Statt offen und ehrlich zu sein arbeiteten Lindner und andere Führungspersonen der FDP also seit Wochen heimlich am Scheitern der Koalition und eskalierten den Ampelstreit immer weiter. Jeder gefundene Kompromiss wurde einkassiert und zu guter Letzt mit Lindners Schreiben zur Belebung der Wirtschaft und seinem Beharren auf seiner Maximalforderung gar der gesamte Koalitionsvertrag in Frage gestellt. Christian Lindner hat mit seinem Wirtschaftspapier praktisch von seinen Koalitionspartnern die komplette Übernahme der libertären FDP-Positionen gefordert. Bei gleichzeitigem Verzicht auf Sozialstaat und Klimaschutz selbstverständlich. Christian Lindner hat die Bundesregierung gelähmt, hat Regierungsarbeit unmöglich gemacht und großen Schaden für Deutschland und an der Demokratie verursacht. Er hat immer weiter eskaliert, bis Olaf Scholz praktisch gar nichts anderes übrig blieb, ihn zu entlassen, um weiteren Schaden von Deutschland und unserer Demokratie abzuwenden. Es kursierte das „D-Day-Papier“, worin eine Strategie zum Koalitionsbruch beschrieben wurde. Ein Papier, in welchem unter anderem von „offener Feldschlacht“ die Rede ist.
Ich hatte lange Zeit keine Erklärung dafür, wieso Christian Lindner es in Kauf nahm, dass er der Demokratie durch seine monatelange Blockadehaltung massiv zu beschädigen und den Staat zu lähmen – bei allen Differenzen hielt ich ihn trotzdem für einen Demokraten. Dass ich damit leider falsch lag, bewies Christian Lindner kürzlich bei Caren Miosga, wo er forderte, man müsse „mehr Milei oder Musk“ wagen1.
Die Positionen der FDP hatte ich bisher immer dem neoliberalen Spektrum zugeordnet, aber immer noch gedacht, die FDP sei eine demokratische Partei. Christian Lindner und seine FDP ist jedoch nicht mehr neoliberal, sondern offensichtlich libertär/anarchokapitalistisch2. Und damit eine ernsthafte Gefahr für die Demokratie und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland. Das erklärt allerdings sein menschenverachtendes Weltbild, welches immer unverhohlener zutage tritt. Das erklärt auch sein permanentes Eindreschen auf die Armen und Schwachen.
Und es zeigt, dass er die Beschädigung der Demokratie und die Lähmung des Staates nicht nur in Kauf genommen hat, sondern – ganz im Sinne seiner Vorbilder Elon Musk und Javier Milei – aktiv vorangetrieben hat.
Ein Mensch, der diese Menschen als Vorbilder nennt, outet sich als ein Feind der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und hat in der Politik nichts verloren. Und eine Partei, die einen solchen Menschen zum Parteivorsitzenden macht und weiterhin an ihm festhält, ist ebenso demokratiefeindlich, wie die AfD und hat weder in der Bundes-, Landes- oder Kommunalpolitik etwas zu suchen!
Einige finden das jetzt möglicherweise übertrieben. Aber schauen wir uns doch die Herren Musk und Milei einmal an.
Können Musk und Milei einer demokratischen Partei als Vorbild dienen?
Elon Musk ist unverschämt reich und fällt regelmäßig durch demokratiefeindliche und rassistische Äußerungen auf. Er nutzt seinen Reichtum und seine Macht, um die öffentliche Meinung und die Politik in seinem Sinne zu beeinflussen. Das von ihm übernommene Twitter heißt nun X und ist ein Sammelbecken von Rassisten, Faschisten, Homophoben und anderen Spinnern. Auch Elon Musk selbst verbreitet dort nachweislich Fakenews, nennt die Seenotrettung von Geflüchteten im Mittelmeer eine Invasion, ignoriert in seinen Fabriken (auch im Tesla-Werk in Grünheide) Arbeits- und Umweltschutzmaßnahmen, unterstützte Trump massiv im Wahlkampf und gehört jetzt zu dessen Regierung. In der von Walter Isaacson veröffentlichten Biografie wird Elon Musk zudem als impulsiver, empathieloser Mensch dargestellt, der Regeln und Normen ablehnt. Zudem vertritt Elon Musk eine extreme Form des Rechtslibertarismus3.
Javier Milei ist der Präsident von Argentinien und bezeichnet sich selbst als Anarchokapitalist. Er ist für die freie Herrschaft des Marktkapitalismus und hält den Staat für die Ursache allen Übels4.
Zwar ist die Inflation in Argentinien seit seinem Amtsantritt zurückgegangen. Dafür gibt es jedoch weniger Jobs, der Konsum ist eingebrochen, staatliche Investitionen fehlen, auch die Privatwirtschaft investiert bisher nicht. Die Armut ist massiv gestiegen – die Hälfte der Argentinier gilt mittlerweile als arm. Gleichzeitig bekommen die Armen weniger Hilfe: Milei hat die Lebensmittelsubventionen und die Unterstützung der Suppenküchen gestrichen. Er bekämpft Gewerkschaften, Umweltorganisationen, Medien und öffentliche Universitäten, leugnet den menschengemachten Klimawandel5.
Das ist also die Politik, die Christian Lindner für Deutschland will? Dafür steht also die FDP im 21. Jahrhundert?
Ich war sicher nie FDP-nah, aber damit ist die FDP endgültig unwählbar geworden. Wer solche Vorbilder hat und solche Positionen vertritt, diskreditiert sich für jedes politische Amt. Und wenn Friedrich Merz, Jens Spahn, Markus Söder und der Rest der Unionsparteien noch immer denken, die Forderungen zur Wirtschaftspolitik der FDP gingen in die richtige Richtung, ist das (neben den rechtspopulistischen Äußerungen) ein weiterer Grund, diese Partei nicht zu wählen.
Wie es scheint, gibt es in Deutschland nur noch zwei Parteien, die für eine demokratische und soziale Welt eintreten: Die SPD (trotz Scholz) und Bündnis90/Die Grünen. Und die Grünen sind die einzigen, die zumindest ansatzweise verstanden haben, dass wir gerade unsere Lebensgrundlage zerstören.
Bei allem berechtigten Frust über die Probleme in unserer Gesellschaft kann die Wahl von radikalen Extremisten niemals die Lösung sein: Weder Rechtsextremismus, Linksextremismus oder der extreme Rechtslibertarismus!
Wir dürfen unsere Werte und unsere Freiheit nicht dem Kapitalismus opfern!
2 Unter einer Anarchie des privaten Eigentums würden individuelle Rechte und Marktkräfte uneingeschränkt herrschen. Während Libertäre, die eine kleine Regierung möchten, diese Position halten, um Missbrauch zu vermeiden, sind die Anarchokapitalisten der Meinung, nur ganz ohne Staat sei dies möglich. Einzelne Vertreter des rechten Libertarismus betrachten die Demokratie als Staatsform kritisch. Murray Rothbard begründet dies damit, dass jeder Staat, auch ein demokratischer Verfassungsstaat, die natürlichen, individuellen Rechte verletze. Hans-Hermann Hoppe sieht eine Monarchie als ein geringeres Übel an und begründet dies damit, der Staat sei im Privatbesitz und der Monarch habe ein persönliches Interesse am Wohlergehen seines Besitzes, während dies bei Politikern und Beamten in einer Demokratie nicht der Fall sei. Hoppe betont allerdings, dass er Befürworter einer Form des Anarchokapitalismus ist und weder Monarchie, Demokratie noch irgendeine andere Staatsform für wünschenswert hält. Hoppe ist Mitherausgeber der Zeitschrift eigentümlich frei, welche als Schnittpunkt zwischen Wirtschaftslibertarismus und der intellektuellen neuen Rechten gilt. Einige Rechtslibertäre befürworten darüber hinaus die Abschaffung der Nationalstaaten und deren Ersetzung durch private Aktiengesellschaften, wie die Anhänger der von Hoppes Ansichten beeinflussten Neoreaktionären Bewegung (Nrx).
Quelle: Libertarismus – Wikipedia
Kommentar schreiben