Der Pippo wundert sich... nicht über die FDP, sondern regt sich auf!

 

Bisher ließ mich das Verhalten der FDP in der „Fortschrittskoalition“ (erinnert ihr euch noch an die vollmundigen Versprechen nach der Bundestagswahl?) meist erstaunt, gelegentlich fassungslos zurück. Aber die Worte „erstaunt“ oder „fassungslos“ reichen mittlerweile nicht mehr aus, um meine Empfindungen zu beschreiben, die die Ergüsse der FDP-Politiker in mir auslösen. Selbst das Wort „Entsetzen“ reicht mittlerweile nicht mehr aus. Meine Reaktionen auf den offensichtlichen Sprechdurchfall, den die Damen und Herren der FDP absondern, schwanken zwischen ungläubigem Lachen, sprachlosem Staunen und Wut über die offensichtlichen Unwahrheiten, verdrehten Tatsachen und merkwürdigen Scheinlösungen aus dem Reich der Science Fiction zu Umweltthemen und zur Transformation unserer Gesellschaft. Stichpunkt „Technologieoffenheit“.

Und anstatt diejenigen zur Verantwortung zu ziehen, die durch ihren Lebensstil das Klima versauen und die Umwelt zerstören oder durch ihre Sozialabgaben-Vorteile, ihre legalen und illegalen Steuertricks wenig bis überhaupt nichts zu den Ausgaben von Bund, Land und Kommunen und somit zu unserer Zivilgesellschaft beitragen1, verlegt sich diese Partei immer wieder auf das Bashing der Bürgergeldempfänger.

Die Politik dieses Haufens bedient ausschließlich die Interessen der reichsten (und wohl auch rücksichtslosesten) 5 Prozent der Bevölkerung – und das auch noch auf eine so offensichtliche und plumpe Art und Weise, dass man sich fragt, ob die Verantwortlichen in der FDP wirklich so bescheuert sind oder ob sie uns für total dämlich halten.

 

Ein paar Beispiele gefällig?

 

Thema Verkehr

 

 

April 2022

 

Wissing begründete seine Ablehnung beim Tempolimit auf deutschen Autobahnen mal nicht mit dem von FDP-Seite so oft bemühten Wort „Freiheit“, sondern damit, dass nicht genügend Schilder vorhanden seien. Als ob man dann an jeder Autobahnauffahrt Schilder aufstellen müsste, auf denen die zulässige Höchstgeschwindigkeit vermerkt wäre. Eine Änderung in der Straßenverkehrsordnung und an jedem Grenzübergang auf den Infotafeln zu den einzelnen zulässigen Höchstgeschwindigkeiten wäre ausreichend. Es steht ja auch jetzt nicht an jedem Ortsausgangsschild ein Verkehrsschild, wo die außerorts zulässige Geschwindigkeit von 100km/h vermerkt ist. So was lernt man ja schließlich in der Fahrschule – ebenso, wie die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerorts.

 

 

Juli 2022

 

Der Verkehrssektor verfehlte (mal wieder) die Klimaziele. Laut damals geltendem Klimaschutzgesetz war das Verkehrsministerium verpflichtet, ein Sofortprogramm aufzulegen, um eine Einhaltung der Klimaziele zu erreichen. Wissings Ministerium legte auch dem Expertenrat der Bundesregierung etwas zur Prüfung vor, was großspurig als „Sofortprogramm“ bezeichnet wurde. Jedoch gab es laut Expertenrat einfach nichts zu prüfen – so lächerlich war das „Sofortprogramm“ anscheinend. Stattdessen machte die FDP ab August 2022 innerhalb der Bundesregierung massiv Druck, um das Klimaschutzgesetz aufzuweichen. Währenddessen weigerte sich Volker Wissing beharrlich, ein neues Sofortprogramm vorzulegen. Obwohl die FDP mit ihrer Forderung nach einer Aufweichung des Klimaschutzgesetzes schlussendlich erfolgreich war, wäre Volker Wissing nach dem alten Gesetz dennoch verpflichtet gewesen, ein Sofortprogramm vorzulegen. Dieses alte Gesetz war nämlich bis zum Inkrafttreten des neuen, abgeschwächten Klimaschutzgesetz nach wie vor gültig. Das neue Klimaschutzgesetz trat erst im Juli diesen Jahres, also 2024, in Kraft. Hier wurde durch den Bundesverkehrsminister bewusst gegen ein geltendes Gesetz verstoßen. Konsequenzen für den Bundesverkehrsminister? Keine. Scheinbar darf man als Mitglied der Bundesregierung gegen geltendes Recht verstoßen, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen.

 

 

März 2023

 

Wissing kündigte die Zustimmung zu einer EU-Verordnung auf, nach der ab 2035 in der EU nur noch Fahrzeuge neu zugelassen werden dürfen, die CO2-neutral fahren. Also praktisch nur noch Elektrofahrzeuge. Dabei hatten sich ursprünglich bereits alle Mitgliedsstaaten der EU auf diese Verordnung geeinigt – auch Deutschland hatte bereits zugestimmt.

 

Nebenbei kündigte er an, 150 Millionen Euro an Fördergeldern für Flugtaxis zur Verfügung zu stellen. Inwieweit Flugtaxis zur Verkehrswende beitragen sollen, weiß wohl nur Volker Wissing. Das Geld wäre sicher im ÖPNV viel besser angelegt, aber die Wähler der FDP bevorzugen nun mal eher Privatjets, Hubschrauber oder eben Flugtaxis.

 

 

Juli/August/September 2023

 

Das Verkehrsministerium hat wohl Fördergelder an Freunde eines Abteilungsleiters vergeben. Später kommt heraus, das eben jener Abteilungsleiter selbst Patente an einer von ihm geförderten Technologie hält. Selbstverständlich konnte der mit der Prüfung des Vorfalls beauftragte Staatssekretär Stefan Schnorr keine Hinweise auf eine Günstlingswirtschaft erkennen. Außerdem war besagter Abteilungsleiter Honorarprofessor an einer Universität und bis 2019 Geschäftsführer einer bundeseigenen Projektgesellschaft. Sowohl Hochschule als auch die Projektgesellschaft hatten wohl Aufträge vom Verkehrsministerium erhalten.

 

 

Februar 2024

 

Weitere Unregelmäßigkeiten wurden bekannt. Es ging wohl um 1,5 Millionen Euro an Fördergeldern, die der schon vorher auffällig gewordene Abteilungsleiter einem Freund verschafft haben soll. Dabei soll es um Wasserstoff als Antriebstechnologie gegangen sein, obwohl Wasserstoff nachweislich keine Alternative zur Elektromobilität ist2.

Am Ende musste der Abteilungsleiter doch gehen und die Wasserstoffförderung wurde vorerst gestoppt.

 

 

Juli 2024

 

Das ZDF berichtete, dass sich „Kraftstofflobbyisten“ Zugang zum Verkehrsminister erkaufen konnten. Volker Wissing soll außerdem eine Grußbotschaft für einen weiteren Flüssigkraftstoffverband verfasst haben, die nahezu deckungsgleich mit den Wünschen des Verbandes gewesen sein soll. Und auch hier war wohl ein Staatssekretär Wissings maßgeblich beteiligt: Oliver Luksic stellte sich bereitwillig als Schirmherr für eine Kampagne für den Kraftstoff namens HVO100 zur Verfügung, der als „Biokraftstoff“ vermarktet werden soll. Dieser „Biokraftstoff“ wird von verschiedenen Umweltverbänden jedoch als Mogelpackung kritisiert, der (wie auch das Märchen über E-Fuels, wie schon in meinem Blogbeitrag über die Verkehrswende beschrieben3) lediglich dazu dient, den Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor zu verschleppen4.(5)

 

 

Der neueste Schwachsinn zum Thema Verkehr

 

Der neueste Versuch, die Verkehrswende zu blockieren, mutet im Angesicht der dringend benötigten Umgestaltung der Innenstädte hin zu modernen und lebenswerten Orten, die zudem noch die Folgen des Klimawandels bewältigen können, geradezu lächerlich rückwärts gewandt an: Die FDP möchte ein „Pro-Auto-Programm“ verabschieden. Dieses nur als absolut hirnverbrannt zu bezeichnende Programm sieht kostenloses Parken in Innenstädten vor. Oder zumindest eine günstige und bundesweite Parkflatrate nach dem Vorbild des 49-Euro-Tickets. Wie das finanziert werden soll, wo doch für das 49-Euro-Ticket im ÖPNV kein Geld da ist, bleibt natürlich offen. Sicher auch durch Kürzungen beim Bürgergeld – das scheint ja innerhalb der FDP die Lösung für alles zu sein. Natürlich sollen auch weniger Fahrradstraßen und Fußgängerzonen eingerichtet werden. Damit wolle sich die FDP „gegen eine grüne Politik der Bevormundung“ stellen, wie Djir-Sarai zum Besten gab6. Aber natürlich ist die FDP hier auch wieder ganz technologieoffen. Alle bereits vorhandenen Technologien werden berücksichtigt – außer natürlich Busse, Straßenbahnen, S-Bahnen, Lastenfahrräder, herkömmliche Fahrräder, Ebikes und andere umweltfreundliche und vor allem schon massenhaft verfügbaren Technologien. Aber solange jeder mit seinem SUV (am besten mit Verbrennungsmotor) in die Innenstadt fährt ist die FDP selbstverständlich technologieoffen und frei von Ideologie. Was wohl der nächste Vorschlag zum Thema Verkehr sein wird? Vielleicht sollen alle Stadtbäume gefällt und Parkhäuser anstelle von Parks gebaut werden, weil unnötiges Stadtgrün ja den Autos den Platz wegnimmt oder ähnlicher Schwachsinn.

 

 

Atomkraft

 

Auch beim Thema Energieversorgung bzw. -wende kommen wenige bis gar keine belastbaren Vorschläge aus der FDP. Hier wird unter anderem auf Atomenergie verwiesen als angeblich sichere und vor allem kostengünstige Energieform. Dabei ist Atomenergie weder sicher, noch kostengünstig. So kostete der Bau des neuen Atomreaktors (Baubeginn 2007) in Flamanville/Frankreich statt der zu Beginn veranschlagten 3,3 Milliarden Euro am Ende 12 Milliarden Euro7. Zudem ist der Betrieb eines AKW nach wie vor sehr risikobehaftet und nicht beherrschbar – siehe Fukushima. Auch die Entsorgung des Atommülls ist bisher nicht geklärt und sicher erst recht nicht. Wie man aktuell im absaufenden Versuchsendlager Asse II mit den rostenden und undichten Fässern voller Atommüll sehen kann8. Mittlerweile wurde bekannt, dass die Suche und der Bau nach einem geeigneten Standort bis zum Jahr 2074 dauern wird. Eingeführt wurde die Atomkraft in Deutschland in den 1970er Jahren, bis also der erste Atommüll einigermaßen sicher verwahrt werden kann, werden 100 Jahre vergangen sein. Und natürlich wird die Entsorgung des Atommülls auch viel teurer, als zu Beginn vermutet. Bisher wird die Suche nach einem Endlager aus einem Staatsfond finanziert, in den die Stromkonzerne 2017 etwa 24 Milliarden Euro eingezahlt haben. Das sollte für die Suche und den Bau eines Endlagers bis zum Jahr 2031 reichen. Da es jetzt aber mindestens bis ins Jahr 2074 dauern wird, bis ein Endlager fertig gestellt ist, reicht das Geld natürlich nicht aus. Die Genehmigungen für die bisherigen Zwischenlager laufen weit vor 2074 aus, weshalb diese Zwischenlager nachgerüstet werden müssen. Auch ist fraglich, ob die Castorbehälter solange halten. Die Stromkonzerne sind mal wieder fein raus. Die Profite haben sie kassiert, die Folgekosten trägt mal wieder der Steuerzahler9. Dennoch behauptet die FDP auf ihrer Internet-Seite, dass Atomkraft kostengünstig sei und wichtig „um Wirtschaftswachstum und ein selbst bestimmtes Leben der Menschen“ zu ermöglichen10. Wie ein selbst bestimmtes Leben der Menschen, die rund um das Lager Asse II leben, aussehen wird, kann ich mir gut vorstellen. Sie können in Zukunft selbst bestimmen, ob sie aus der verseuchten Gegend mit den undichten Atommüllbehältern wegziehen, oder ob sie selbst bestimmt an Leukämie erkranken. Und der Rest der Bevölkerung in Deutschland wird bis ans Ende aller Zeiten für den Atommüll und seine Lagerung bezahlen dürfen. Ganz selbst bestimmt natürlich. Die unzähligen Milliarden könnte man sicher auch den Stromkonzernen in Rechnung stellen, aber dann könnten diese sicher nie wieder Dividenden an die Aktionäre (also die FDP-Wähler) ausschütten.

 

 

Kernfusion

 

Und weil die FDP sich ja sehr gerne ganz technologieoffen in Fantastereien verliert, anstatt seriöse Politik zu machen, bringt sie auch gleich noch die Kernfusion ins Spiel. Laut FDP-Fraktionschef Christian Dürr produziere die Kernfusion „stabil umweltfreundliche Energie“, weshalb man den „Einsatz der Kernfusion entbürokratisieren“ solle. Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger behauptet, man könne möglicherweise schon 2033 Kernfusion nutzen11. Wissenschaftler sprechen zwar davon, dass Kernfusion frühestens im Jahr 2050 zur Verfügung stehen wird, aber die wissen anscheinend nicht, dass Naturgesetze ganz einfach durch Entbürokratisierung umgangen werden können.

 

 

Technologieoffenheit oder doch eher Ideologie?

 

Steht die FDP jetzt also für Technologieoffenheit und eine Politik, die frei ist von Ideologie? Wohl kaum. Vielmehr steht die FDP für eine „Politik-des-Weiter-so“, eine Politik, die eine Erneuerung und Transformation der Gesellschaft konsequent ablehnt und als kleine Partei (mit gerade mal 5 Prozent Wähleranteil) in Deutschland und der EU behindert. Und dabei folgt die FDP ganz eindeutig ihrer Ideologie nach einem absolut unreguliertem Kapitalismus ohne Einschränkungen. Mit ihren Ablenkungsmanövern (z.B. der Diskussion um Bürgergeld und Migration) gefährden sie außerdem den sozialen Zusammenhalt und die Demokratie in Deutschland. Diese Partei steht weder für Freiheit, noch für Fortschritt. Sie steht einzig und allein für die kurzfristigen Interessen der reichsten 5 Prozent der Bevölkerung ein und ihren kurzfristigen Profit auf Kosten von Mensch und Natur. Dabei brechen sie (wie zum Beispiel Volker Wissing) jahrelang das Gesetz und müssen keinerlei Konsequenzen befürchten. Währenddessen werden die Aktivisten, die für unsere Lebensgrundlage und Freiheit und die kommender Generationen kämpfen zunehmend kriminalisiert. Dabei sind die Proteste und auch die Aktionen der Klimaaktivisten eindeutig durch das Grundgesetz legitimiert.

 

So heißt es im Grundgesetz Artikel 20:

 

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

 

Weiter heißt es dort, und jetzt wird es meiner Meinung nach sehr interessant:

 

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

 

Im Artikel 20a heißt es noch:

 

Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.

 

 

Schauen wir doch da mal genauer hin:

Der Staat ist also verpflichtet, die Lebensgrundlage künftiger Generationen zu schützen. Angesichts von Klimakrise, dem Desaster um Asse II, Artensterben, so genannten „Ewigen Chemikalien“ im Trinkwasser, Mikroplastik in der Nahrung und anderen Zivilisations-Katastrophen ist die Politik ihrer Verpflichtung bisher eher nicht nachgekommen. Erst recht, wenn man bedenkt, dass unser Verkehrsminister Jahre das Gesetz gebrochen hat, und zwar ganz bewusst und in voller Absicht, bis dieses Gesetz in seinem Sinne geändert wurde.

 

Ob die Aktionen der Letzten Generation und anderen Gruppen sinnvoll sind, ist ein anderes Thema. Illegal oder kriminell sind sie jedoch nicht, sondern durch das Grundgesetz legitimiert. Zudem sind es gewaltfreie Aktionen zivilen Ungehorsams.

 

Vielmehr muss die Politik endlich ernst machen mit einer verantwortungsvollen Umwelt- und Klimapolitik. Und bezahlen müssen das in erster Linie die Verursacher und nicht die Bevölkerung. Die Interessen der Bevölkerung und kommender Generationen dürfen nicht mehr länger der kurzfristigen Gier nach immer höheren Gewinnen untergeordnet werden.

 

Und wir als Bevölkerung dürfen den Lügen und Halbwahrheiten aus den Reihen der Politik und der Industrie nicht länger glauben! Ein „Weiter-so“ können und dürfen wir uns nicht leisten – aber wir haben die Möglichkeit, zu gestalten.

 

In was für einer Welt wollen wir leben?

 

 

 

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