Die Bundesregierung hatte sich eigentlich vorgenommen, die Corona-Pandemie aufzuarbeiten, die damals beschlossenen Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit und Verhältnismäßigkeit zu überprüfen und gemachte Fehler zu analysieren. Eigentlich – denn dazu kommt es nun wahrscheinlich doch nicht. Dabei wäre dies wichtig, um für die nächste Pandemie, die sicher kommen wird (oder bereits in den USA begonnen hat?1), gerüstet zu sein und nicht die Fehler von damals zu wiederholen. Gleichzeitig würde man durch einen selbstkritischen Umgang mit den eigenen Fehlern verlorenes Vertrauen zurück gewinnen und die Diskussion darüber nicht dem BSW und der AfD überlassen.
Natürlich war es eine Ausnahmesituation, auch und gerade für diejenigen, die zu dieser Zeit die politische Verantwortung zu tragen hatten. Und ja, vieles ist während der Pandemie gut gelaufen, schließlich ist Deutschland noch recht gut durch die Pandemie gekommen. In einer Aufarbeitung würde dies sicher auch benannt werden. Jedoch wurden auch einige Fehler gemacht, die ebenfalls benannt und analysiert werden müssen. Einige Entscheidungen waren – rückblickend betrachtet – überzogen, nicht sinnvoll, nicht nachvollziehbar, manche wirkten willkürlich und manche Maßnahmen waren sogar schädlich. Dies gilt es jetzt, herauszuarbeiten. Nicht, um irgendjemanden an den Pranger zu stellen, sondern um zu schauen, was gut funktioniert hat und aus den Fehlern zu lernen. Und um zu verhindern, dass sich einige politisch Verantwortliche dann erneut durch ihre Position auf Kosten der Steuerzahler bereichern2. Auch, wenn das anscheinend nicht illegal war, hat das nicht unbedingt das Vertrauen in die Politik gesteigert, sondern zum Erstarken der AfD und anderer Populisten beigetragen.
Nun jedoch steht die Corona-Aufarbeitung durch die Ampelkoalition vor dem Aus, weil sich SPD, die Grünen und FDP nicht einigen können, wie diese Aufarbeitung geschehen soll. Also anstatt jetzt endlich mal Regierungsverantwortung zu übernehmen, verliert man sich mal wieder in gegenseitigen Vorwürfen. Vor allem die SPD scheint hier zu blockieren; sie schlägt einen Bürgerrat vor, um die Bevölkerung mit einzubeziehen. Zusätzlich schlägt die SPD „eine Kommission aus Bundesrat und Bundestag“ vor. Dies würde jedoch bedeuten, dass die damals Verantwortlichen teilweise die eigenen Entscheidungen bewerten müssten. Eine kritische Auseinandersetzung ist so wohl eher nicht zu erwarten. Eine „Enquete-Kommission“ aus Politikern und Sachverständigen, wie von der FDP vorgeschlagen, könnte hier einen etwas kritischeren Blick auf die Maßnahmen während der Pandemie werfen3. Das kommt aber für die SPD scheinbar nicht in Frage – zu groß ist anscheinend die Angst, man könne auf eigene Fehler hingewiesen werden. Und die Bürger wären hierbei außen vor. Aber die Meinung der Bevölkerung interessiert die FDP ja eher weniger. Vielmehr entsteht hier wieder mal der Eindruck, dass man in SPD und FDP nur an der eigenen Karriere interessiert ist, anstatt Verantwortung zu übernehmen. Und zu echter Verantwortung gehört eben auch, dass man zu eigenen Fehlern steht, diese analysiert und aus ihnen lernt. Dazu ist eine umfassende Aufarbeitung nötig. Diese muss aus einem Untersuchungsausschuss, einem unabhängigen Expertenrat aus Wissenschaftlern (Soziologen, Psychologen, Virologen, Kinderärzten, Ökonomen, Politikwissenschaftlern), aus Vertretern von Medien und aus einem Bürgerrat bestehen. Nur so ist eine umfassende Aufarbeitung der Corona-Pandemie möglich und nur so können Fehler in kommenden Pandemien vermieden werden. Aber anstatt zuzugeben, dass die Pandemie für alle – auch für Politiker – eine neue und teilweise überfordernde Herausforderung war und das von Seiten der Politik auch Fehler gemacht wurden, gefällt man sich nur all zu gern in der Rolle des Unfehlbaren. Man möchte erst gar nicht wissen, wo man sich verbessern könnte und verzichtet lieber auf eine Aufarbeitung der Corona-Pandemie. Selbstherrlichkeit statt Selbstkritik.
So wird die Chance vertan, Vertrauen zurück zu gewinnen.
Und vor allem wird die Chance vertan, gut gerüstet in die nächste Pandemie zu gehen.
1Https://www.tagesschau.de/wissen/vogelgrippe-bei-kuehen-studie-100.html
2Https://www.zdf.de/nachrichten/politik/corona-maskenaffaere-tandler-haftstrafe-100.html
https://www.sueddeutsche.de/bayern/masken-deal-sauter-nuesslein-elfeinhalb-millionen-euro-1.5269605
3Https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/corona-aufarbeitung-102.html
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Detlef (Sonntag, 14 Juli 2024 16:29)
"Wenn du glaubst, dass du zu klein bist, um etwas zu bewirken, versuche einmal zu schlafen, wenn ein Mücke im Raum ist"
(Dalai Lame)
Daniel (Montag, 15 Juli 2024 07:18)
Richtig. Es geht nicht im Nachhinein darum, jemanden zu bestrafen. Es wäre arrogant zu denken, man hätte es in diesen Momenten selbst besser gemacht. Es geht darum, besser für die nächste Pandemie gerüstet zu sein. Und es wird dieses Mal sicherlich nicht wieder 100 Jahre (Spanische Grippe) dauern, bis eine Pandemie kommt.
Der Pippo (Montag, 15 Juli 2024 09:44)
Stimmt, ich denke, die meisten Politiker (von den Beteiligten an den Maskendeaös mal abgesehen) haben nach bestem Wissen gehandelt. Das heißt aber nicht, dass man es rückblickend betrachtet nicht hätte besser oder anders machen können. Aber hier werden Parteiinteressen und das Ego Einzelner über die Interessen der Bevölkerung gestellt. Und über deren Wohl bei kommenden Pandemien.